10. Dezember – Augustinerkloster

Quelle: Saitz, Hermann H.: Erfurt zu Fuß. Erfurt 2016

1276 wurde die Klosterkirche der Augustinereremiten errichtet. Im Vergleich zu anderen Kirchenbauten in Erfurt war die eigentliche Bauzeit sehr kurz (bis 1340). So ist der in sich geschlossene, stilistisch einheitliche Baukörper zu erklären. Die hölzerne Tonnendecke symbolisiert die asketische Lebensweise in diesem Bettelorden. Der für Klosterkirchen traditionelle Lettner ist in dieser Kirche nicht mehr vorhanden. Saitz vermutet, dass sich mit dem kleinen Türchen an der Kanzel die Höhe des ehemaligen Lettners erahnen lässt. Besonders bemerkenswert sind die Chorfenster, die auf die Jahrhundertwende 1300 zurückgehen und damit die ältesten erhaltenen mittelalterlichen Kirchenfenster sein dürften.

Das Kloster ist noch vollumfänglich erhalten mit dem Kreuzgang, den Mönchszellen, dem Priorat, dem Gästehaus für die Novizen. Die klostereigenen Waidhäuser und die 1516 fertiggestellte Bibliothek sind dem Weltkrieg zum Opfer gefallen (auf dem Grundriss die beiden Gebäude rechts neben der Nummer 5). Im Keller der alten Bibliothek hatten am 25. Februar des letzten Kriegsjahres 267 Menschen Schutz gesucht. Nur ein Mädchen hat den Einschlag einer Fliegerbombe überlebt. Auf den Grundmauern der beiden zerstörten Einrichtungen wurden Neubauten errichtet: eine Hotelanlage und ein Tagungshaus.

Der Augustinerorden befasste sich mit der wissenschaftlichen Seite der Theologie. Das mag einer der Gründe für Martin Luthers Entscheidung gewesen sein, sich diesem Orden anzuschließen. Hinzu sollen zwei Erlebnisse gekommen sein, die den Entschluss, Mönch zu werden, gefestigt haben: Der Pestausbruch während seines Grundstudiums verursachte eine seelische (Glaubens-)Krise sowie das Gewittererlebnis bei Stotternheim, bei dem er dann den Eid für den Klostereintritt abgelegt haben soll. 

Als Luther das Mönchsgelübde ablegte, musste er sich vor dem Altar in Kreuzform auf den Boden legen. Ironischerweise war unter ihm die Grabplatte von Johannes Zacharie. Dieser hatte auf dem Konzil in Konstanz 1415 dazu beigetragen, dass der tschechische Kirchenkritiker und Reformer Johannes Huss (aus dem Tschechischen für „Gans“) der Ketzerei für schuldig befunden und anschließend auf dem Scheiterhaufen verbrannt wurde. Huss soll im Angesicht des Todes gesagt haben: „Die Gans muss verbrennen, aber in 100 Jahren wird ihr ein Schwan folgen, den werdet ihr nicht überwinden.“ Sehr häufig wird der Name Luthers deshalb symbolisch mit einem Schwan verbunden.

1511 wechselte Luther zusammen mit seinem Freund Johannes Lang nach Wittenberg. Während Luther in späteren Jahren immer wieder Erfurt besuchte, kam Johannes Lang 1516 als Prior ins Augustinerkloster zurück. Die Erfurter bezeichnen Lang deshalb gerne als ihren Reformator. Der Johannes-Lang-Saal in der Allerheiligenstraße ist ihm gewidmet.

Zwei weitere historisch herausragende Persönlichkeiten sind mit der Augustinerkirche bzw. dem Kloster verbunden. Johann Sebastian Bach nahm 1716 die Sterzing-Schröter-Orgel persönlich ab. Zudem legte Otto von Bismarck einen entscheidenden Grundstein für seine weitere politische Karriere in der , denn 1850 diente das Gotteshaus als Tagungsstätte für das Unionsparlament der Deutschen Nationalversammlung.

Quelle: Stadtarchiv Erfurt

Quellen:
Steffen Raßloff: Die Geschichte der Stadt Erfurt. Erfurt 2019
Lyndal Ropal: Luther. Der Mensch Martin Luther. London 2016
Hermann H. Saitz: Erfurt zu Fuß. Erfurt 2016

Veröffentlicht von corioluskraft24

Verfasser der Kommentare zum Adventskalender 2020

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