Quelle: Stadtarchiv Erfurt
Im Mittelalter und schon zuvor war Bier ein Alltagsgetränk, das zunächst von Mönchen in den Klöstern gebraut wurde. Bier half ihnen, die langen Fastenwochen besser zu überstehen. Denn Flüssigkeit brach die Fastenregeln nicht. Mit zunehmendem Handel wurde die Kunst des Bierbrauens aus ökonomischer Sicht auch für Kaufleute interessant. Sie hatte aber auch eine medizinische Funktion: Das Wasser war durch die vielen Gewerbetreibenden verunreinigt etwa durch die Waidjunker, Gerber, Wollweber und Färber. Außerdem fehlte ein Kanalisationssystem, das Wasserzu- und -abfluss voneinander trennte. Da im Bier keine krankmachenden Keime gedeihen können, diente es als Alltagsgetränk. Ab dem 13. Jahrhundert wurde Bier mit Hopfen erzeugt, was zu längerer Haltbarkeit führte.
Das Recht, Bier zu brauen, wurde jedoch nur einer kleinen Gruppe von betuchteren Erfurtern gewährt, den sogenannten Biereigen, die auch als Walpurgisherren bezeichnet wurden. Grundlage für die Vergabe des Braurechts war das Grundstück, der Biereigenhof, auf dem die Brauerei stattfand, als auch ein versteuerbares Vermögen von 400 bis 500 Gulden. In der Mitte des 16. Jahrhunderts verzeichnet das Stammbuch der Walpurgisherren um die Erfurter Kaufmannskirche 277 Personennamen von Erfurtern mit Braurecht. Sie hätten sich ohne ein Regulatorium Konkurrenz gemacht, wenn nicht der Erfurter Rat zugleich das Ziel verfolgte, für eine stabile Versorgung der Bevölkerung mit dem Lebensmittel Bier zu sorgen. Zu diesem Zweck wurde durch ein Losverfahren das Reihebrauen eingeführt: die Festlegung, wann jeder Biereigen an welchen Tagen des Jahres sein Bier (1.500 Liter) anbieten durfte. Damit die Bürger erfuhren, wann und wo Bier von ihnen erworben werden konnte, wurden Bierrufer als Institution eingeführt. Am 1. Mai, dem Walpurgistag, wurden die Bierrufer der Erfurter Stadtviertel jedes Jahr neu eingekleidet. Wie die Abbildung im Fenster 20 deutlich macht, war die Ausstattung durch Farbe und Schnitt auffallend, so wie es sich für einen Bierrufer, der auf das Produkt aufmerksam machen sollte, sinnvoll war.
Quellen:
Landeshauptstadt Erfurt (Hrsg.): Es braut sich was zusammen. Erfurt und das Bier. Erfurt 2018
Antje Bauer: Erfurt: Bilder und Geschichte(n). Arnstadt 2017